Die Menschen im antiken Rom hatten eine faszinierende, oft erstaunlich präzise Vorstellung von der Welt, in der sie lebten – und das, obwohl ihnen viele moderne wissenschaftliche Instrumente fehlten. Ihre Sicht auf die Erde und das Universum basierte auf einer Mischung aus Überlieferungen, Beobachtungen und Einflüssen anderer Kulturen wie der Griechen und Ägypter. Dieses Weltbild war nicht nur geografisch geprägt, sondern auch kulturell und mythologisch durchdrungen.
🗺️ Die Erde: Zentrum der römischen Welt
Die Römer übernahmen viele geografische und kosmologische Konzepte von den Griechen, passten sie jedoch an ihre eigenen Bedürfnisse und Erfahrungen an.
1. Die Form der Erde
- Sphärisch oder flach? Bereits griechische Denker wie Pythagoras und Aristoteles hatten die Idee einer kugelförmigen Erde entwickelt. Diese Ansicht wurde von gebildeten Römern weitgehend übernommen, auch wenn es in der Volksmeinung noch unterschiedliche Vorstellungen gab.
- Zentrum des Universums: Die Erde wurde als Mittelpunkt des Universums betrachtet, um den sich alle anderen Himmelskörper bewegten – ein geozentrisches Weltbild, das bis in die Neuzeit dominierte.
2. Die bekannte Welt: Orbis Terrarum
Der Begriff Orbis Terrarum („Kreis der Länder“) beschrieb die Welt aus römischer Sicht:
- Europa, Asien und Afrika: Diese drei Kontinente bildeten die bekannte Welt. Die Römer betrachteten das Mittelmeer (Mare Nostrum) als das Zentrum der Zivilisation.
- Grenzen der Welt: Jenseits der bekannten Regionen glaubten die Römer an unerschlossene Gebiete, bevölkert von mysteriösen Wesen oder wilden Völkern. Der Okeanos, ein mythischer Strom, wurde als Grenze der bewohnbaren Welt angesehen.
3. Karten und Geografie
- Römische Karten: Karten wie die Tabula Peutingeriana, eine spätere mittelalterliche Kopie einer römischen Karte, zeigen ein schematisiertes Bild der römischen Welt mit Straßen, Städten und Entfernungen.
- Ptolemäus: Der griechische Geograf Claudius Ptolemäus (2. Jahrhundert n. Chr.), dessen Werke auch von den Römern verwendet wurden, schuf eine der präzisesten Karten der Antike.
🔭 Das Universum: Kosmologie der Römer
Die römische Vorstellung vom Universum war stark von griechischer Astronomie und Philosophie beeinflusst.
1. Aufbau des Kosmos
- Geozentrisches Modell: Nach Ptolemäus bewegten sich die Sonne, der Mond und die Planeten in festen Bahnen um die Erde.
- Sphärenmodell: Das Universum wurde als eine Reihe konzentrischer Sphären betrachtet, auf denen die Himmelskörper fixiert waren.
2. Sterne und Planeten
- Die Römer kannten und benannten die Planeten nach ihren Göttern: Merkur (Mercurius), Venus (Venus), Mars (Mars), Jupiter (Iuppiter) und Saturn (Saturnus).
- Sterne wurden häufig mit mythologischen Figuren und Geschichten in Verbindung gebracht, wie etwa die Sternbilder des Zodiaks.
🕊️ Die mythologische Dimension der Welt
Für die Römer war die Welt nicht nur ein physischer Raum, sondern auch ein Ort, der von Göttern, Geistern und übernatürlichen Kräften durchdrungen war.
1. Götter und Landschaften
- Bestimmte geografische Orte, wie Berge, Flüsse und Wälder, wurden als Sitz von Gottheiten betrachtet. Der Tiber (Tiberinus) war beispielsweise der Flussgott Roms.
- Die Vorstellung, dass die Welt von Göttern und Halbgöttern geschaffen und gestaltet wurde, war weit verbreitet.
2. Grenzen und Monster
- In den weniger erforschten Regionen der Welt vermuteten die Römer fantastische Wesen wie die Amazonen oder die einäugigen Zyklopen.
- Der Okeanos, der die Welt umschloss, galt als Heimat von Meeresungeheuern und anderen mythischen Kreaturen.
🛡️ Die politische Dimension: Rom als Zentrum der Welt
Die Römer sahen sich selbst als das Zentrum der zivilisierten Welt:
- Rom als Nabel der Welt: Die Stadt Rom wurde nicht nur geografisch, sondern auch symbolisch als Mittelpunkt betrachtet. Alle Straßen führten sprichwörtlich nach Rom (Omnes viae Romam ducunt).
- Kulturelle Überlegenheit: Die Römer betrachteten die von ihnen beherrschten Gebiete als die zivilisierte Welt, während die außerhalb des Imperiums liegenden Regionen als barbarisch galten.
🗺️ Ferne Länder: Jenseits des bekannten Horizonts
Die Römer hatten auch Vorstellungen von weit entfernten Regionen, die sie selbst nicht vollständig kannten:
- Indien und China: Diese Länder waren durch Handelsrouten bekannt. Die Römer nannten China Serica und bewunderten dessen Seide.
- Afrika südlich der Sahara: Rom hatte nur begrenzte Kenntnisse über die Regionen jenseits der Sahara, wusste jedoch von Gold, Elfenbein und exotischen Tieren.
- Nördlich von Germanien: Die Römer vermuteten unwirtliche Länder, in denen ewiger Winter herrschte – möglicherweise frühe Vorstellungen von Skandinavien.
📜 Fazit: Die Welt in den Augen der Römer
Das römische Weltbild war ein faszinierender Mix aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, pragmatischer Geografie und mythologischen Überzeugungen. Obwohl die Römer nicht alles über die Welt wussten, hatten sie ein beeindruckend klares Bild von ihrer eigenen Position und ihren Beziehungen zu fernen Ländern. Dieses Weltbild spiegelt sowohl die Neugier als auch die kulturelle Selbstsicherheit der Römer wider.
Für tiefergehende Einblicke in das römische Weltbild empfehlen wir das Buch „Geography in Classical Antiquity“ von Daniela Dueck.
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